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Öl, das ich rief – die Müllwelle

Die Kunstinstallation "Müllwelle" gehört zum nachhaltigen Rahmenprogramm der KANU-WM 2022 in Augsburg. Lass dich bei einem Spaziergang durch Augsburgs Altstadt inspirieren von drei "Wellen" zu den Themen Fast Fashion, Plastikmüll und soziale Ungleichheit.
'Die Müllwelle' heißt diese Kunstinstallation von Stefan Kaindl, die anlässlich der KANU WM 2022 in der Augsburger Altstadt installiert wurde. Foto: Carolin Loser

Die Müllwelle bei Sankt Ursula

„Aus den Tiefen unserer Erde holen wir seit Jahrzehnten immer größere Mengen Öl, um es billig und bequem zu haben. Dieses Millionen Jahre alte Öl greift nach uns, denn wir lassen es weiter ungezügelt in unsere Welt strömen, um unsere Plastik-Abhängigkeit zu bedienen. Bislang gelingt es uns, unsere Unmengen an Plastikmüll zu verbrennen, vergraben oder in andere Länder zu exportieren.“

Stefan Kaindl, Künstler

Mit diesen Worten beschreibt Stefan Kaindl die Inspiration für seine Installation, eine riesen Plastikmüllwelle, die während der KANU WM 2022 in der Augsburger Altstadt bei Sankt Ursula gezeigt wird. Der gelernte Elektroniker sowie Diplom-Informatiker und -Designer ist kreativer Holzgestalter und fertigt interaktive, multimediale sowie gesellschaftskritische Installationen und Kunstprojekte an. So stammen auch die Idee und der Entwurf der Müllwelle von ihm. Umgesetzt wurde die Installation mit Hilfe von Studierenden der Hochschule Augsburg und Mitgliedern der offenen Werkstatt das Habitat.

 

KANUANCEN zur KANU WM 2022

Es gehören drei Wellen zu dem Kunstprojekt KANUANCEN: Die Altkleiderwelle "Hängengelassen", die Plastikwelle von Stefan Kaindl und die Welle zu sozialer Ungleichheit. Die KANUANCEN sind während der Kanu-Weltmeisterschaft vom 26. bis 31. Juli 2022 in der Augsburger Innenstadt zu sehen. Sie entstanden in Zusammenarbeit der Stadt Augsburg mit dem Habitat Augsburg e.V. und der Hochschule Augsburg. Auf dem Lifeguide wird das Projekt inhaltlich vom Büro für Nachhaltigkeit begleitet.

 

Der Müll einer dreiköpfigen Familie

Die kinetische Installation eines Plastik-Tsunamis von Stefan Kaindl besteht aus fünf sich bewegenden Armen, die von etwa 100 Kilogramm Plastikabfall umhüllt sind. Das entspricht knapp der Menge an Plastikmüll, die eine dreiköpfige Familie in Deutschland pro Jahr produziert.

 

Besonders wichtig ist es Stefan Kaindl, dass neben ganz offensichtlichen, für uns alltäglichen Plastikabfällen auch solche verbaut wurden, von denen wir als Endverbraucher*innen gar nichts mitbekommen. Dazu zählen beispielsweise große Verpackungsfolien aus dem Baumarkt oder die endlos langen Spargelfolien, die beim Spargelanbau ganze Felder bedecken. Wenn wir im Supermarkt einkaufen, sind wir uns dieser Plastikmengen oft überhaupt nicht bewusst.

 

Die Müllwellen-Installation soll uns vor Augen führen, dass wir ein gravierendes Plastikmüll-Problem haben, mit dem wir immense Schäden verursachen. Denn ein erheblicher Teil dieses anfallenden Mülls landet in unseren Gewässern und zersetzt sich dort zu Mikroplastik.

 

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Plastik in den Meeren

Etwa 75 Prozent des sich im Meer befindenden Mülls besteht aus Kunststoff. Schätzungsweise 4,8 bis 12,7 Tonnen kommen jährlich an neuem Plastikmüll hinzu. Nur ein Teil der Verschmutzung zeichnet sich an der Wasseroberfläche ab, der viel größere Teil sinkt in tiefere Gewässer ab und gelangt schließlich auf den Meeresgrund. Schätzungen gehen von einer Ansammlung von etwa 80 Tonnen Kunststoff auf den Ozeanböden aus, an der Wasseroberfläche treiben bis zu 18 Tausend Plastikpartikel pro Quadratkilometer. Viele dieser Partikel sind kaum bis gar nicht sichtbar, da Plastik nicht verrottet, sondern sich in immer kleinere Teile zersetzt. Dies geschieht beispielsweise beim Abrieb von Reifen oder auch beim Waschen von Kleidung, die Kunststofffasern enthält. Viel Mikroplastik stammt außerdem aus Wasch- und Putzmitteln sowie kosmetischen Artikeln, wie etwa Peelings. Mehr zu Mikroplastik erfahrt ihr hier: "

 

Weltweit gibt es zu viel Plastik

Zu den grundlegenden Ursachen der Vermüllung des Meeres gehört einerseits der verschwenderische Umgang mit Plastik, insbesondere Einwegprodukten. Andererseits fehlt in vielen Ländern, besonders in denen des globalen Südens, schlichtweg die nötige Infrastruktur, die für die Sammlung und sachgerechten Weiterverarbeitung der Kunststoffe benötigt wird. Viele Menschen können dort also ihre Plastikabfälle nicht sachgerecht entsorgen. Besonders auch Tourist*innen, die dort hinreisen und dann mit demselben Problem konfrontiert werden, tragen zur hohen Müllbelastung der Meere bei.

 

Und bei uns?

An vielen Stellen in der Natur sieht man am Wegesrand kleine Verpackungen von Lebensmitteln oder Flaschen aus Plastik. Gedankenlose Menschen werfen ihren Müll achtlos in die Natur, etwa beim Vorbeifahren aus dem Autofenster oder wenn in nächster Umgebung kein Mülleimer zu sehen ist. Dieser Müll landet über kurz oder lang im Wasser. Er wird durch den Wind in den nächsten Bach geweht und macht sich von dort aus auf den Weg ins Meer.

 

Unsere Klärwerke filtern nur große Teile

Um Augsburgs Klärwerk als Beispiel zu nehmen: Hier fließen bei Trockenwetter täglich 120.000 Kubikmeter Schmutzwasser durch die Anlage. Das entspricht der Menge, die man benötigen würde, um den Rathausplatz bis auf Höhe des Rathaus-Balkons mit Wasser zu füllen. Die Kläranalage entnimmt dem Abwasser jährlich 600 bis 700 Tonnen Müll.

 

Dabei sind große Plastikteile oder anderer Müll nicht das zentrale Problem. Tamponverpackungen, Zigarettenstummel oder Nylonstrumpfhosen können beispielsweise leicht herausgefiltert werden. Das eigentliche Problem stellt die Verschmutzung des Wassers dar, die gar nicht sichtbar ist – die Mikroverunreinigungen. Dabei handelt es sich um Spurenstoffe wie Hormone und Medikamentenrückständen, Schwermetalle, aber auch Mikroplastik. Diese Spurenstoffe sind zwar winzig klein und wiegen nur wenige Nanogramm, summieren sich dennoch, wenn man bedenkt, dass sie täglich in unser Wasser gelangen.

Eine vierte Reinigungsstufe könnte diese Mikroverunreinigen beseitigen. Wie so viele andere Klärwerke in Deutschland verfügt das Augsburger Klärwerk jedoch nur über drei Reinigungsstufen.

 

Bedrohung für alle Lebewesen

Welche Probleme gehen nun konkret von der Kunststoffverschmutzung aus? Plastikmüll in unseren Gewässern bedeutet für jährlich etwa 135 Tausend Meeressäuger und für eine Million Meeresvögel den Tod. Und hier sind die Fische noch nicht einmal mitgezählt.

 

Die Tiere verwechseln kleine Kunststoffteilchen mit Nahrung, nehmen diese auf und verenden aufgrund der Folgen. Es kann zu starken Verletzungen oder Verstopfungen des Magen-Darm-Traktes kommen. Viele betroffene Tiere verspüren ein ständiges Völlegefühl, ohne wirklich nahrhafte Substanz zu sich zu nehmen, die überlebsnwichtig ist.

 

Auch das Wachstum, die Mobilität sowie die Fortpflanzungsfähigkeit kann durch die Aufnahme von Kunststoffteilchen gehemmt werden. Häufig verfangen sich die  Meeresbewohner auch in den Überresten von alten Fischernetzen oder anderen Plastikartikeln und erleiden einen qualvollen Tod.

Auch Korallenriffe leiden unter der Müllbelastung. Die herumtreibenden Plastikteile beschädigen die Korallenstöcke und somit den Lebensraum unzähliger Lebewesen.

 

Neben diesen physischen Gefahren stellen auch gefährliche Inhaltsstoffe der Kunststoffe ein Problem dar. Sie werden bei den Zersetzungsprozessen freigesetzt und gelangen in die Nahrungskette der Wasserlebewesen, was sich langfristig auf das Erbgut sowie den Hormonhaushalt der Tiere auswirkt.  

Über den Verzehr von Fischen gelangen die Schadstoffe aus dem Müll und Mikropartikel zwangsläufig auch in den menschlichen Körper. Zwar sind die genauen Folgen dessen noch nicht ausreichend erforscht, die Weltgesundheitsorganisation warnt dennoch bereits vor winzigen Partikeln, die unbemerkt im Körper verweilen und dadurch Organentzündungen verursachen können.

 

 

Mehr zum Thema:

 

Wer noch mehr wissen möchte - Quellen:

Naturschutzbund Deutschland (o.D.): Plastikmüll und seine Folgen.https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/muellkippe-meer/muellkip… (letzter Zugriff am 14.07.2022)

PETA (2022): Plastik im Meer: Die Folgen der Vermüllung für Umwelt und Tiere.https://www.peta.de/themen/plastik-muell-im-meer/ (letzter Zugriff am 13.07.2022)

Stad Augsburg (o.D.): Die Stadtentwässerung Augsburg. https://www.augsburg.de/umwelt-soziales/umwelt/stadtentwaesserung/ (letzter Zugriff am 18.07.2022); es wurde außerdem ein Gespräch mit Mitarbeitenden des Augsburger Klärwerks am 10.06.2022 geführt

Umwelt Bundesamt (2016): Mikroplastik in Kosmetika – Was ist das?https://www.umweltbundesamt.de/themen/mikroplastik-in-kosmetika-was-ist… (letzter Zugriff am 13.07.2022)

WWF (2020): Plastikmüll im Meer – die wichtigsten Antworten.https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/unsere-ozeane-versinken-im-p… (letzter Zugriff am 13.07.2022)

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